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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: 12 W 42/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 861
BGB § 861 Abs. 1
ZPO § 91 a
ZPO § 91 a Abs. 2 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

12 W 42/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch als Einzelrichter

am 8. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), 14 O 60/07, vom 9. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: bis 2.500,00 €.

Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin ist von den Verfügungsbeklagten mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück ...straße 21 in St..., Ortsteil D..., beauftragt worden. Im Rahmen der Arbeiten baute die Verfügungsklägerin unter anderem Bauzeitenschlösser ein, zu denen auch die Verfügungsbeklagten einen Schlüssel erhielten. Am 20.02.2007 stellte ein Mitarbeiter einer Subunternehmerin der Verfügungsklägerin fest, dass die Verfügungsbeklagten die Bauzeitenschlösser ausgetauscht und eine bereits auf die Baustelle gelieferte Entfeuchtungsanlage von ihrem ursprünglichen Lagerplatz an den vorgesehenen Einbauort transportiert hatten. Ferner beabsichtigten die Verfügungsbeklagten am 22.02.2007 im Rahmen einer Ortsbesichtigung mit einem Prüfstatiker eine Öffnung - und damit Beschädigung - von Bauteilen. Im Folgenden haben die Verfügungsbeklagten den Bauvertrag aus wichtigem Grund und hilfsweise ordentlich gekündigt.

Mit einstweiliger Verfügung vom 21.02.2007 hat das Landgericht unter anderem angeordnet, dass die Verfügungsbeklagten das Einfamilienhaus an die Verfügungsklägerin herauszugeben haben. Ferner hat es der Verfügungsklägerin gestattet, sich den Besitz des Hauses durch Austausch der Schlösser wiederzubeschaffen, und den Verfügungsbeklagten untersagt, Änderungen - insbesondere Bauteilöffnungen - an der Werkleistung der Verfügungsklägerin vorzunehmen und die Entfeuchtungsanlage einzubauen.

Die Verfügungsbeklagten haben zur Vorbereitung des auf ihren Widerspruch hin anberaumten Termins am 29.03.2007 mit an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz vorgetragen, bei dem am 16.03.2007 durchgeführten Abnahmetermin seien zahlreiche von der Verfügungsklägerin zu erbringende Mangelbeseitigungsarbeiten festgehalten worden hinsichtlich deren Durchführung sich die Verfügungsklägerin jedoch auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe. Unter diesen Umständen sei das Beharren auf dem Besitzrecht treuwidrig. Zudem seien erhebliche Schäden an dem Bauwerk zu befürchten, da dieses von der Verfügungsklägerin vollständig verschlossen worden sei und es deshalb durch die vorhandene Baufeuchte bereits zu erster Schimmelbildung gekommen sei.

Das Landgericht hat seinen Verhandlungstermin am 29.03.2007 im Hinblick auf die ebenfalls an diesem Tage anberaumte Verhandlung des unter dem Az. 17 O 71/07 bei dem Landgericht geführten weiteren Rechtsstreits zwischen den Parteien unterbrochen. In diesem Verfahren haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, der unter anderem vorsah, dass die Verfügungsbeklagten einen Betrag von 27.500,00 € an die Verfügungsklägerin zahlen, nach Zahlungseingang den Verfügungsbeklagten der Besitz an dem Gebäude übergeben wird und die Verfügungsklägerin eine Reihe von Restleistungen bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten erbringt. Ferner enthält der Vergleich die "Bitte" der Parteien um eine gerichtliche Entscheidung über die Kosten in den anhängigen Verfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vergleichstext (Bl. 190 f d. A.) verwiesen.

Mit Beschluss vom 09.05.2007 hat das Landgericht die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar nach dem Sach- und Streitstand bis zum 15.03.2007 ein Anspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten auf Wiedereinräumung des Besitzes aus § 861 BGB bestanden habe, aufgrund der Ausführungen im Schriftsatz vom 29.03.2007, zu dem der Verfügungsklägerin kein rechtliches Gehör mehr habe gewährt werden können, jedoch ein Ausschluss des Anspruchs gem. § 242 BGB in Betracht gekommen sei. Eine Kostenaufhebung entspreche schließlich auch der Billigkeit, weil die Parteien in dem von ihnen geschlossenen Gesamtvergleich eine für beide Seiten akzeptable Lösung ihres Streits gefunden hätten, ohne dass das überwiegende Nachgeben einer der Parteien festgestellt werden könne.

Die Verfügungsklägerin hat gegen den ihr am 14.05.2007 zugestellten Beschluss mit am 29.05.2007 - Dienstag nach Pfingsten - beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Verfügungsklägerin wendet sich gegen die Kostengrundentscheidung insgesamt und rügt insbesondere, das Landgericht habe die ihr entstandenen Kosten der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung nicht hinreichend berücksichtigt, die sie nach dem Beschluss allein zu tragen habe, obwohl das Gericht darauf abgestellt habe, dass keine Partei durch den Rechtsstreit bevorzugt oder benachteiligt werden solle.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 07.09.2007 (Bl. 205 R d. A.) verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die vom Landgericht ausgesprochene Kostenaufhebung ist zutreffend.

Die Parteien haben im Rahmen ihres im Verfahren 17 O 71/07 vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) geschlossenen Vergleichs auch den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Zwar sind entsprechende Erklärungen grundsätzlich mündlich, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben, ergibt sich aus dem Verhalten der Parteien jedoch ein entsprechender Wille, kann auch eine Erklärung durch schlüssiges Verhalten genügen (Wolst in Musielak, ZPO, Kommentar 5. Aufl., § 91 a ZPO, Rn. 13). So liegt der Fall auch hier. Die Parteien haben die am 29.03.2007 unterbrochene Sitzung nicht wieder aufgenommen, woraus - im Zusammenhang mit dem zu den Akten gelangten Protokoll der Sitzung im Parallelverfahren - für das Gericht erkennbar war, dass sie den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht weiter betreiben wollten.

Über die Kosten des Verfahrens war dementsprechend gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Maßgebend dabei sind die allgemeinen Bestimmungen für die Kostentragung (§ 91 ff ZPO) und mithin insbesondere, welche der Parteien bei summarischer Prüfung des voraussichtlichen Prozessausganges vermutlich in welchem Umfang unterlegen wäre (Rechtsgedanke der §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 ZPO). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass dem zunächst gegebenen und den Schwerpunkt des Verfahrens bildenden Anspruch der Verfügungsklägerin aus § 861 Abs. 1 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Gebäude auf dem Grundstück der Verfügungsbeklagten möglicherweise der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegenstand. Der Anspruch wegen Besitzentziehung kann entfallen, wenn das Recht trotz eigener Vertragsuntreue geltend gemacht wird, etwa wenn der nachleistungsverpflichtete Gläubiger nicht zur Gegenleistung bereit ist oder er durch sein Verhalten den Vertrag gefährdet und die Vertragsverletzung ihrerseits von einigem Gewicht ist (KG ZMR 2000, S. 802; vgl. auch BGH NJW 1978, S. 2157). Das von den Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 29.03.2007 geschilderte Verhalten der Verfügungsklägerin war entsprechend zu bewerten. Ein schützenswertes Interesse der Verfügungsklägerin am weiteren Besitz des Hauses war nach der zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Vertrages jedenfalls durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten sowie der durchgeführten Abnahme mit Festlegung der zu erbringenden Mangelbeseitigungsarbeiten/Restleistungen, deren Durchführung von der Verfügungsklägerin jedoch - zunächst - verweigert wurde, gerade auch im Hinblick auf die durch die unzureichende Belüftung drohende Verschlechterung der Bausubstanz nicht mehr gegeben. Zugleich war mangels Möglichkeit der Verfügungsklägerin zu den Einwänden der Verfügungsbeklagten Stellung zu nehmen nicht verbindlich festzustellen, ob der Einwand aus § 242 BGB zu Recht erhoben worden ist. Dies rechtfertigt es, das Ergebnis des Verfahrens als offen zu bewerten und die Kosten gegeneinander aufzuheben, § 92 Abs. 1 ZPO. Zu Recht hat das Landgericht im Rahmen der Beurteilung der Billigkeit einer Kostenaufhebung schließlich berücksichtigt, dass die Parteien in dem von ihnen geschlossenen Vergleich eine Gesamtbereinigung vorgenommen haben, in die sie Ansprüche von erheblichen Wert einbezogen haben, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren, ohne dass insoweit ein überwiegendes Nachgeben einer Partei festzustellen war (vgl. auch BGH NJW-RR 1997, S. 510). Nicht zu berücksichtigen waren hingegen die der Klägerin entstandenen Kosten der Vollstreckung der einstweiligen Verfügung. Eine gesonderte Verteilung der Kosten angefallener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist in den Bestimmungen der §§ 91 ff ZPO, an denen sich die Entscheidung nach § 91 a ZPO zu orientieren hat und die den Umfang des Obsiegens im Rechtsstreit zum Maßstab macht, nicht vorgesehen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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